Was bedeutet Wissenschaft für dich?
Katrin: Wissenschaft begleitet mein Leben und unser aller Leben. Sie ist der Ursprung neuen Wissens und neuer Fragen. Ich war schon immer vielseitig interessiert und habe Geographie, Ägyptologie und Betriebswirtschaftslehre in Berlin studiert. Anschließend habe ich in Geologie promoviert und war dafür in Potsdam, Stanford und Edinburgh. Wissenschaft bedeutet für mich, nach den Zusammenhängen zu fragen, wissen zu wollen, wie etwas funktioniert oder warum etwas so ist, wie es ist. Wissenschaft bedeutet aber auch eine große Verantwortung: Verantwortung für die eigene Forschung und deren Auswirkungen, und Verantwortung dafür, das Wissen mit anderen zu teilen, sich zu erklären, andere mitzunehmen und einzubinden - in der Wissenschaft und darüber hinaus.
Christian: An der Uni Mainz habe ich in Physik promoviert und danach zuerst an der RWTH Aachen und dann an der HU Berlin geforscht und dort habilitiert. Inzwischen bin ich als Akademischer Rat wieder zurück in Mainz. In meiner Forschung geht es um die Entwicklung mathematischer Methoden, mit denen sogenannte Feynman-Integrale berechnet werden. Diese Methoden werden in der theoretischen Teilchenphysik benötigt, um Experimente an Teilchenbeschleunigern zu interpretieren und neue Kenntnisse über Elementarteilchen zu gewinnen. Mich interessiert es besonders, auf diesem Gebiet Zusammenhänge zwischen der Physik und der Mathematik herauszuarbeiten, also der interdisziplinäre Teil dieser Forschung. Wissenschaftspolitisch bin ich in der Arbeitsgemeinschaft für Bildung und im Wissenschaftspolitischen Netzwerk der SPD aktiv.
Warum engagierst Du dich wissenschaftspolitisch?
Christian: Der ursprüngliche Grund für mein wissenschaftspolitisches Interesse war meine berufliche Situation. Wie die meisten Wissenschaftler:innen war ich nach der Promotion über mehrere Jahre mit befristeten Verträgen beschäftigt. Am Anfang war das für mich in Ordnung, aber mit der Zeit wuchs mein Wunsch nach einer langfristigen beruflichen Perspektive. Stattdessen sah ich, dass in meinem Fachgebiet erfahrenere Kolleg:innen trotz hervorragender Forschungsleistungen in der gleichen Situation waren wie ich. Ich hatte das Gefühl, dass eine ganze Generation von Wissenschaftler:innen in einer Warteschleife festhing. Ein Schlüsselerlebnis war eine Diskussion im Rahmen eines größeres Förderprogramms. Wir Nachwuchswissenschaftler:innen sollten erläutern, inwiefern die Fördermittel für uns nützlich eingesetzt werden könnten. Ein Kollege stellte die Frage, ob im Rahmen des Programms Dauerstellen geschaffen werden können. Darauf erhielt er sehr offen eine ablehnende Antwort: Man habe nicht ohne Grund die Dauerstellen im akademischen Mittelbau stark dezimiert. Spitzenforschung, so die Meinung eines leitenden Wissenschaftlers, sei nur unter dem Druck möglich, der durch die berufliche Unsicherheit zustande komme. Für uns war diese Antwort ärgerlich. Im Rückblick war das Gespräch gut, denn das Problem hatte dadurch für mich eine sehr konkrete Form angenommen.
Katrin: Ich engagiere mich schon immer an Schnittstellen. Zuerst habe ich selbst studiert und geforscht, allerdings nicht eine Disziplin, sondern eine ziemlich wilde Mischung aus Sozial-, Wirtschafts- und Naturwissenschaften, später aus Geomorphologie und Geologie. Mich hat immer die gesellschaftliche Dimension von Wissenschaft interessiert, der echte Impact auf die Menschen hier und jetzt. Deshalb wechselte ich als Postdoc raus aus der Forschung zur Helmholtz-Gemeinschaft und habe dort Forschungspolitik auf Bundesebene kennengelernt und mitgestaltet. Da wurde mir auch rasch klar, wie wichtig es für die Wissenschaft ist, mit der Politik zu reden - und umgekehrt. Die Schnittstellenarbeit habe ich in der Robert Bosch Stiftung weitergeführt. Dort kam zu Wissenschaft und Politik die Zivilgesellschaft hinzu. Als Abgeordnete ist es auch wieder das Lernen und Fragen, das mich begleitet und inspiriert, ob in der Wissenschaft oder der Weiterbildung. Ich sehe mich folglich als eine Art Übersetzerin oder Grenzgängerin zwischen diesen verschiedenen Welten im Dienste des Gemeinwohls.
Wie kam es zum Wissenschaftsforum?
Katrin: Ich begleite das Wissenschaftsforum auf Bundesebene bereits seit vielen Jahren und finde den Austausch und die Plattform sehr bereichernd. Als ich nach Rheinland-Pfalz kam und in die Landespolitik eingestiegen bin, habe ich eine solche Dialogplattform hier im Land vermisst. Daher habe ich mit verschiedenen Menschen geredet und viel Zuspruch für die Idee erhalten, ein rheinland-pfälzisches Regionalforum für Wissenschaft zu gründen. Auch der Austausch mit den Kollegen:innen der anderen Regionalforen war sehr hilfreich. Konkret wurde es dann als ich Christian traf, der sofort Feuer und Flamme war und mitmachen wollte. Und so gibt es uns nun, das Wissenschaftsforum RLP.
Christian: Das Konzept des Wissenschaftsforums der SPD habe ich durch eine Veranstaltung des nordrhein-westfälischen Forums kennengelernt. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch Katrin Rehak-Nitsche getroffen. Als sie mir von ihrer Idee erzählte, ein rheinland-pfälzisches Wissenschaftsforum zu gründen, wollte ich auf jeden Fall dabei sein. Ich finde es spannend, an einer neuen Plattform mitzuarbeiten, auf der ein konstruktiver Dialog zwischen Wissenschaft und Politik stattfindet. Ich freue mich darauf, hier eine weite Bandbreite von Themen zu besprechen: die Energiewende, künstliche Intelligenz, die Zukunft unserer Gesellschaft, die Rolle der Wissenschaft als Stabilisator der Demokratie und vieles mehr. Ich bin sehr gespannt auf alle, die kommen und den Dialog mitgestalten werden.
Willkommen im Wissenschaftsladen!
DebattenbeiträgeDie Lösung gesellschaftlicher Probleme durch Wissenschaft ist kein Selbstläufer. Vielmehr hängt dies auch vom gesellschaftlichen Vertrauen in die Methode der Wissenschaft als eines sich selbst in fragestellenden Prozesses ab. Dieses Vertrauen korrespondiert mit der Fähigkeit zur unabhängigen Reflexion bei jedem einzelnen Menschen.
10 Forderungen für die Bildungs- und Forschungsunion Europa
DebattenbeiträgeDas hat das Jahr 2020 bereits mehr als deutlich gezeigt: Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Sicherheit und nachhaltigen Fortschritt gibt es nur durch gemeinsames Handeln und Solidarität.
Entsprechend haben die EU-Kommission und die Bundesregierung sowie der Deutsche Bundestag mehrere Initiativen gestartet, um der globalen Gesundheitskrise und der durch Corona bedingten wirtschaftlichen Rezension auch eine europäische Antwort entgegenzusetzen. Nach anfänglichen Rückfällen in national beschränkten Krisenaktionismus zeigt Europa damit, wie Solidarität in einem eng verbundenen und gleichzeitig vielfältigen Kontinent funktionieren kann. Diesen neuen Schwung in der europäischen Debatte und die für alle Europäer*innen offensichtliche Notwendigkeit einer engen Absprache und Koordination über Ländergrenzen hinweg sollten wir auch in der Jugend-, Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungspolitik nutzen, um neue europäische Impulse zu setzen. Und das gilt ganz besonders für dieses Feld der Zukunftspolitik, auf dem wir die Gefühle und die Identität, ja die „Seele“, Europas mit ansprechen.
Deshalb stellen wir Bildungspolitiker*innen in der SPD-Bundestagsfraktion 10 Forderungen für die Bildungs-, Wissens- und Forschungsunion Europa. Wir wollen die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um eine neue Bildungsvision für Europa auf den Weg zu bringen und Innovationen in der europäischen Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungspolitik anzustoßen.
Personalstrukturen reformieren, Dynamiken besser erhalten
DebattenbeiträgeDer Druck zu Veränderungen im deutschen Wissenschaftssystem ist nicht zu unrecht hoch. Die Befristungspraxis, die inzwischen große Teile des wissenschaftlichen Personals umfasst, hat in Kombination mit Publikations- und Drittmittelanforderungen zu einer Aufheizung des Systems geführt, die in einem inneren Ausbrennen resultieren kann. Einfach nur am Status quo dieser Praxis festzuhalten, erscheint reichlich ideenlos. Um die Leistungsfähigkeit des Wissenschaftsstandorts Deutschland zu erhalten, braucht es dringend neue, zugleich sozialverträgliche und innovationsfördernde Ansätze. Der Tenure im „Mittelbau“ könnte dies leisten.
Wir brauchen den Europa-Lehrer
DebattenbeiträgeLehrkräfte sollen Vorbilder sein für den Blick über die Grenzen. Jetzt bietet sich die Gelegenheit, das zu fördern. Europas neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will das Budget des großen europäischen Austauschprogramms Erasmus mindestens verdoppeln. Damit sollen mehr Menschen aus allen Altersgruppen in ihrer Bildungsbiografie der europäischen Idee konkret begegnen. Für die Zukunft brauchen wir in allen Schulen und Bildungseinrichtungen Menschen, die sich mit der Idee Europas identifizieren und zu Vorbildern werden für ein europäisches Lehren, Lernen und Leben.
Gutes Studium und Gute Lehre
DebattenbeiträgeIn die neue Zeit: Auf Initiative des Wissenschaftsforums der Sozialdemokratie beschließt der SPD-Bundesparteitag zentrale Positionen für ‚Gutes Studium und gute Lehre‘. Dabei stehen vier Kernforderungen im Mittelpunkt. Mit einem Hochschulsozialpakt sollen mindestens 100.000 studentische Wohnheimplätze geschaffen werden. Ebenso soll ein Bund-Länder-Pakt für die Digitalisierung der Hochschulen gestartet werden. Das BAföG – zentrales Element für mehr Chancengleichheit in der Bildung – soll dynamisiert und weiter strukturell verbessert werden. Die soziale Selektivität beim Hochschulzugang soll abgebaut werden und berufsbezogene Kompetenzen mehr Berücksichtigung finden.
Gute Arbeit in der Wissenschaft – Wo stehen wir?
DebattenbeiträgeDer Wissenschaftsbereich, insbesondere die Hochschulen, sind ein besonderer Arbeitsbereich. Sie sind geprägt von Qualifizierungsphasen, aber auch von wissenschaftlicher Arbeit, die wir als solche verstehen sollten. Im föderalen System in Deutschland sind für Hochschulen zunächst einmal die Länder zuständig. Darüber hinaus können sie mit dem Bund Vereinbarungen treffen, die auch auf die Verbesserung von Arbeitsbedingungen an Hochschulen zielen. Bund und Länder haben in den vergangenen Jahren und Monaten wegweisende und wichtige Vereinbarungen getroffen, die auch das Thema Gute Arbeit an Hochschulen beeinflussen und Arbeitsbedingungen verändern werden. Es ist vor allem die Sozialdemokratie, die die Diskussion darüber, wie Gute Arbeit in der Wissenschaft erreicht werden kann, fortsetzen muss. Dafür sind wir auf Impulse der, vor allem jungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, der Hochschulen und Forschungseinrichtungen angewiesen. Es ist gut, wenn sich das Wissenschaftsforum der Sozialdemokratie dieser Diskussion nun stellt.
Die Wissenschaftskommunikation stärken. Drei Vorschläge für drei wichtige Schritte vorwärts und eine konkrete Forderung.
DebattenbeiträgeWenn es in dieser Legislaturperiode noch zu Fortschritten bei der Förderung der Wissenschaftskommunikation kommen soll, muss bald etwas passieren. Und sei es in kleinen konkreten Schritten, jedenfalls muss es vorangehen. Schließlich gilt es das im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD gemachte Versprechen einzulösen: Dort steht, dass die Wissenschaftskommunikation „gestärkt“ werden soll. Die bisherige Phase des Stillstandes oder – positiv gesprochen – des Suchens auf Seiten des Ministeriums, was dieses Thema angeht, mag in der notwendigen Konzentration auf konkurrierende andere Gesetzesvorhaben begründet gewesen sein, der Reform des BAföG zum Beispiel, des Berufsbildungsgesetzes oder der umfassenden Verhandlungen zur Trias der Pakte. Auch die nicht einfache Frage nach der Finanzierung mag eine Rolle gespielt haben. Nur darf all das jetzt kein Argument mehr sein. Pflicht und Kür gehören auch in der Wissenschafts- und Forschungspolitik zusammen.
Wissenschaftspolitik gegen Rechtspopulisten
DebattenbeiträgeRechtspopulisten in Deutschland und Europa haben die Wissenschaft und die Universitäten als politische Arena für sich entdeckt. Die Einflussnahme auf die Wissenschaft von rechts ist drängendes Problem der gegenwärtigen Wissenschaftspolitik. Eine sozialdemokratische Wissenschaftspolitik muss die daraus entstehenden Herausforderungen aktiv annehmen – neben anderen drängenden, wissenschaftspolitischen Themen der Sozialdemokratie wie z.B. Chancengleichheit und die Bekämpfung von Bildungsungerechtigkeit im Studium und bei akademischen Karrieren, Arbeitsbedingungen an den Universitäten und Gestaltung einer digitalisierten Forschung und Lehre .
IT`S ALL ABOUT WORK – Einladung zum Workshop am 15.11.2019
Debattenbeiträge‚Gute Arbeit‘, dafür steht die SPD seit 156 Jahren. Für ein starkes, leistungsfähiges Wissenschaftssystem ist sie eine der wesentlichsten Voraussetzungen. Engagierte und exzellente Mitarbeiter_innen sind die tragende Säule für Spitzen-leistungen in Lehre und Forschung. Der wissenschaftliche Arbeitsmarkt ist besonders. Dies alleine reicht aber nicht als Begründung für noch immer enorme Befristungsquoten. Mit dem Zukunftsvertrag Studium & Lehre und dem Pakt für Forschung und Innovation hat die Wissenschaft neue Planungssicherheit gewonnen. Jetzt gilt es, das Versprechen guter Arbeitsbedingungen und planbarer Karriereperspektiven einzuhalten und dabei alle Interessen in den Blick zu nehmen.
EUROPA ZUM KONTINENT FÜR WISSENSCHAFT, FORSCHUNG UND INNOVATIONEN MACHEN
DebattenbeiträgeAntworten auf die zentralen Fragen unserer Zeit werden wir nur formulieren können, wenn wir auch in Europa zusammenhalten. Für Katarina Barley, Spitzenkandidatin der SPD zur Europawahl, ist die Idee von Verständigung und Freundschaft heute so klar und überzeugen wie niemals zuvor. In einem Impuls beim Workshop „WISSENSCHAFT. FREIHEIT. POLITIK“ macht sie deutlich, dass für sie Talente und Ideen nicht Lohndumping und Steuerrabatte den Wettbewerb entscheiden müssen. Dafür braucht es auch starke Hochschulen und exzellente Forschungseinrichtungen.